„Weihnachten feiern – jetzt erst recht!“

Liebe Studierende und MitarbeiterInnen der Universität Bayreuth, liebe Freunde der KHG,

nun steht es also – wie Alle Jahre Wieder – vor der Tür, das Weihnachtsfest. Und wie schon in den letzten Jahren will die heimelige Weihnachtsstimmung so gar nicht zu den aktuellen Nachrichen passen. Wir haben blutige Bilder aus den Trümmerlandschaften in Aleppo gesehen, wir haben ein Jahr aufgeheizter Diskussionen erlebt, durch die auch in unserem eigenen Land Ängste, Spaltungen und Aggressionen zutage traten, wie wir sie lange nicht wahrgenommen hatten. Massive Polizeipräsenz am Rande unserer Weihnachtsmärkte erinnerte uns in den letzten Tagen daran, dass in dieser Adventszeit durch den sinnlosen Hass eines Einzelnen unschuldige Menschen beim Weihnachtsmarktbesuch in Berlin getötet wurden. Das Dunkel und der Unfrieden in der Welt sind einmal mehr so offensichtlich geworden, dass es schwerfällt, sie zu ignorieren. Können und dürfen wir in dieser Situation „einfach so“ gemütlich Weihnachten feiern?

Unser Erzbischof Ludwig Schick hat, wie ich finde, darauf eine gute Antwort gegeben: „Wir dürfen nicht nur Weihnachten feiern, wir müssen es! Dieses Fest erinnert daran, dass Gott Mensch geworden ist, also die ganze Armut und Friedlosigkeit des Menschen an sich herangelassen und durchlitten hat. Die Liebe und Barmherzigkeit Gottes hat sich in Jesus ein menschliches Gesicht gegeben. Und darin liegt der Grund unserer Hoffnung auf Frieden: Gott selbst ist mit uns, wenn wir den Frieden bauen und der Gewalt nicht das letzte Wort lassen. Auch in Aleppo wird Weihnachten gefeiert. Der dortige maronitische Erzbischof, Joseph Tobji, sagte kürzlich: ‚Wir werden auf den Trümmern feiern, um zu erleben, dass die Hoffnung nicht stirbt, dass aus dem Tod Leben hervorkommt.‘ Das ist die Perspektive, in der alle Christen das Weihnachtsfest auch in diesem Jahr begehen sollten.“

Nicht umsonst wurde das Weihnachtsfest im 4. Jahrhundert symbolisch auf den Tag der Wintersonnenwende gelegt, den Tag, an dem die Sonne beginnt, wieder stärker und länger zu scheinen. Mitten in der längsten und tiefsten Dunkelheit beginnt das neue Licht. „In der Mitte der Nacht liegt der Anfang eines neuen Tags“ heißt es in einem Lied.

Aber vielleicht ist es nicht das, was Euch und Sie jetzt am meisten bewegt. Für so manche Erstsemester heißt Weihnachten zunächst einmal: Die ersten zwei Monate an der Uni sind geschafft. Jetzt ist Pause. Für manche die erste Gelegenheit, nach Hause zu fahren, Freunde und Familie wiederzusehen, zu erzählen, wie es einem in der großen neuen Welt der Universität ergangen ist. Das werden ganz unterschiedliche Geschichten sein: Für manche war der Studienbeginn eine große Enttäuschung, weil ihr Studienfach ganz anders war, als sie es sich vorgestellt hatten. Für andere war und ist es eine Herausforderung, sich an die neuen Lern- und Arbeitsweisen, vor allem aber an die Fülle des Stoffs zu gewöhnen. Der eine oder die andere fragt sich, ob er oder sie an der Uni überhaupt richtig ist, ob das Studium und die Selbstorganisation, die es braucht, nicht „eine Nummer zu groß“ sind. Wieder andere sind im Land ihrer Träume angekommen, haben ein Fach, das zu ihnen passt, und nette Kommilitonen gefunden.

Für diejenigen, die schon länger da sind, stellen sich vielleicht noch andere Fragen: Wie geht es weiter im Studium – werde ich mein Examen schaffen? Wie geht es danach weiter? Oder: Wie laufen meine wissenschaftlichen Projekte? Und: Wie sieht es aus mit meinen Beziehungen und mit all dem, was universitäres Leben noch so ausmacht? Mache ich zu viel, so dass ich kaum Zeit habe, durchzuatmen? Oder fühle ich Leere und Leerlauf, tue ich zu wenige Dinge, die mich wirklich erfüllen? Habe ich gute Freunde gefunden, oder bewegen sich meine sozialen Kontakte eher an der Oberfläche? Betrachte ich meine Mitmenschen an der Universität als Freunde und Kollegen – oder eher als Konkurrenz? Die Weihnachtspause kann auch eine Atempause sein, die wir nutzen können, um Bilanz zu ziehen und vielleicht das eine oder andere neu zu justieren.

Weihnachten bedeutet ja: Wir dürfen neu anfangen, jedes Jahr, immer wieder. Und wir müssen es nicht alleine tun. Egal ob in der großen Weltpolitik oder in unserer kleinen persönlichen Arbeits- und Beziehungswelt – Gott ist da, er ist Immanu-El, Gott-mit-uns. Er erklärt uns seine Liebe nicht in großen Worten; er kommt einfach und ist da, lebt, wächst, lernt, liebt und leidet mit uns.

Er, der große allmächtige Gott, bindet sich an uns Menschen mit unseren geringen Möglichkeiten. Und so zeigt er, dass jeder und jede Einzelne von uns unendlich wertvoll und bedeutsam ist, und dass das, was wir tun, unendlich relevant ist. Gott traut uns zu, dass wir Verantwortung übernehmen für uns und unsere Welt. Er geht mit uns nach Aleppo, nach Berlin und auch an die Universität Bayreuth. Er macht uns Mut, einander beizustehen und das Richtige zu tun, wenn es darauf ankommt; er geht mit uns auch in die Tiefe unserer Angst und unserer Ohnmacht, wenn wir nichts mehr tun können. Ihm dürfen wir alles zutrauen, durch ihn dürfen wir auch uns selbst wieder trauen – trotz aller Dunkelheiten in uns und um uns herum. Weihnachten ist die große Liebeserklärung Gottes an die Menschheit und an jeden einzelnen Menschen. Der große Theologe Karl Rahner hat das einmal so ausgedrückt:

„Wenn wir sagen: Es ist Weihnacht, dann sagen wir:

Gott hat sein letztes, sein tiefstes, sein schönstes Wort im fleischgewordenen Wort in die Welt hinein gesagt, ein Wort, das nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, weil es Gottes endgültige Tat, weil es Gott selbst in der Welt ist.

Und dieses Wort heißt: Ich liebe dich, du Welt und du Mensch.“

 Euch und Ihnen allen

Ein frohes, befreiendes Weihnachtsfest und ein gesegnetes Jahr 2017!

Für die KHG Bayreuth

unterschrift

Barbara Göb, Hochschulseelsorgerin