“Der kleine König feiert Weihnachten”. Dieses Bilderbuch voller Schnee, Sterne und Weihnachtsgeschenke musste ich einmal fast einen ganzen Sommer lang meiner kleinen Tochter vorlesen. Sie liebte dieses Buch einfach und die Weihnachtsstimmung – auch wenn die Welt draußen bei über 30 Grad im Schatten stöhnte.
Meine Begeisterung für Weihnachtsgeschichten im Juli hielt sich sehr in Grenzen, aber wenn ich die leuchtenden Augen meiner Tochter sah, dann fing ich trotzdem jeden Abend wieder neu an zu lesen.
Weihnachten in Deutschland ist ein unglaublich kitschiges und unglaublich kommerzialisiertes Fest. In den letzten Jahren wurden die Lichterketten immer heller und bunter, die Weihnachtsmärkte lauter und alkoholisierter, die Werbung schriller. Advent ist für viele Einzelhändler die Zeit, in der sie mehr Umsatz generieren als im ganzen Rest des Jahres zusammen.
Nur in diesem Jahr ist alles anders. Das Weihnachtsfest ist aus der Zeit gefallen. Nein, wir haben nicht Juli, ja, es ist winterlich kalt, und ja, der eine oder andere hat sein Vorstadt-Einfamilienhaus wieder beleuchtet wie einen Flughafen. Aber der Festrausch des Advent ist durch Corona weitgehend verflogen. Viele Selbstverständlichkeiten sind nicht mehr selbstverständlich, wir befinden uns in einem Notfallmodus von unbestimmter Dauer. Grundrechte, auf die wir seit 70 Jahren vertrauen, werden im Takt weniger Tage immer weiter eingeschränkt. Die Menschen haben Angst – vor der Krankheit, vor der Arbeitslosigkeit, vor der Einsamkeit, vor der Insolvenz.
Und gerade deshalb ist dieser Advent 2020 vielleicht authentischer als andere. Advent im biblischen Sinn, das heißt nicht feiern – es heißt: Hoffnung haben. Hoffnung darauf, dass einer kommt, der diese Welt friedlicher und gerechter macht. Hoffnung darauf, dass es ein Leben gibt jenseits der Angst. Hoffnung auf das Versprechen, dass wir IHM begegnen dürfen – später einmal ganz und jetzt immer wieder. Zum Beispiel, wenn wir uns Zeit nehmen füreinander und der Funke des Verstehens überspringt. Oder wenn wir in leuchtende Kinderaugen schauen, denen wir gerade etwas vorgelesen haben. Der “kleine König” will Weihnachten feiern – mit uns und durch uns.
– English version – |
“The little king is celebrating Christmas”. I once had to read this picture book full of snow, stars and Christmas presents to my little daughter for almost a whole summer. She simply loved this book and the Christmas spirit – even when the world outside groaned at over 30 degrees.
My enthusiasm for Christmas stories in July was very limited, but when I saw my daughter’s shining eyes, I still started reading every evening.
Christmas in Germany is an incredibly kitschy and incredibly commercialised festival. In recent years the fairy lights have become brighter and more colourful, the Christmas markets louder and more alcoholic, the advertising shriller. For many retailers, Advent is the time when they generate more sales than the rest of the year put together.
Only this year everything is different. Christmas has fallen out of time. No, it’s not July, yes, it’s cold in winter, and yes, one or the other has his suburban family home lit up like an airport again. But the festive frenzy of Advent has largely evaporated thanks to Corona. Many things we take for granted are no longer taken for granted, we are in an emergency mode of indefinite duration. Fundamental rights, on which we have relied for 70 years, are being increasingly restricted in the rhythm of a few days. People are afraid – of illness, of unemployment, of loneliness, of bankruptcy.
And that is precisely why this Advent 2020 is perhaps more authentic than others. Advent in the biblical sense, that is not celebrating – it is having hope. Hope that someone will come who will make this world more peaceful and just. Hope that there is a life beyond fear. Hope for the promise that we may meet Him – in the end completely and now again and again. For example, when we take time for each other and the spark of understanding is ignited. Or when we look into the shining eyes of children to whom we have just read something. The “little king” wants to celebrate Christmas – with us and through us.